Tiefenort – Mit einem Bus und mehreren Autos fuhren 50 Tiefenorter Kirchgemeindeglieder und Spender nach Baden-Württemberg, um in der Karlsruher Glockengießerei Bachert den Guss der neuen Bronzeglocken für die St. Peterskirche mitzuerleben. Vor 91 Jahren, während des I. Weltkriegs, mussten die große und die kleine Bronzeglocke abgeliefert werden. Später wurden sie durch Stahlglocken ersetzt. Nun soll das ursprüngliche Gleichklang-Geläut wieder hergestellt werden. Dafür gingen bisher Spenden in Höhe von 30 000 Euro ein. Für alle Teilnehmer am Glockenguss war es ein unvergessliches Ereignis. „Jetzt wird uns erst die wirkliche Bedeutung von Schillers Lied von der Glocke bewusst“, sagte Tosca Faber. Der Guss in Karlsruhe war keinesfalls gleichzusetzen mit dem im Volksmund gebräuchlichen Spruch: „Loch in Erde, Bronze rin, Glocke fertig – bim, bim, bim“. Vielmehr konnten sich die Besucher von der schweißtreibenden Tätigkeit der Männer vor Ort überzeugen. Das Glockenspiel der St. Peterskirche Tiefenort soll mit zwei neuen Bronzeglocken ergänzt werden. Die 700 Kilogramm schwere Lutherglocke wird in „fis“ und die kleine Engelsglocke im Ton „h“ erklingen. Ein Glockensachverständiger berechnete im Vorfeld die Glocken, denn alle vier Glocken müssen klangmäßig aufeinander abgestimmt sein. Nach Auskühlung der Glocken wird er nach Karlsruhe reisen, um den Klang zu prüfen. Der Eingangsbereich der Glockengießerei ist mit den ersten Zeilen aus Schillers Meisterwerk versehen: „Fest gemauert in der Erde steht die Form aus Lehm gebrannt.“ Christiane Bachert informierte über das altehrwürdige Handwerk des Glockengießens, zu dem auch eine Filmdokumentation gezeigt wurde. Zudem bestand die Gelegenheit einer Firmenbesichtigung, bei der zahlreiche bereits gegossene Glocken in Augenschein genommen werden konnten. Unter anderem die neun Tonnen schwere „Jahrtausendglocke“ für den Hamburger „Michel“. Gemeinsam mit drei weiteren Kirchgemeinden fieberten die Tiefenorter dem Glockenguss entgegen, der in Karlsruhe noch komplett traditionell erfolgt. Zuerst wird ein innen hohler Glockenkern gemauert und mit Lehm bestrichen. Die Lehmschicht wird mit einem rotierenden Schaber abgezogen und muss dann austrocknen. Auf die Lehmschicht wird ein Trennmittel aufgebracht (Talg, Fett, Graphit). Auf diese Schicht kommt wieder Lehm, der genau die Form der späteren Glocke hat: Diese Schicht wird „falsche“ Glocke genannt. Nachdem sie getrocknet ist, werden auf ihr alle Verzierungen und Schriften aus Wachs aufgebracht. Auf die Wachsschicht kommen mehrere Schichten Lehm in unterschiedlicher Feinheit, damit die Verzierungen sich auch im Lehm abbilden. Ist die als Mantel bezeichnete äußere Form fertig, wird sie mit einem Feuer im hohlen Kern im Ganzen ausgebrannt. Anschließend wird der Mantel abgehoben und die falsche Glocke zerschlagen, danach wird der Mantel wieder aufgesetzt. Zwischen Kern und Mantel hat sich nun ein Hohlraum gebildet. Zum Guss wird die Grube, in der die Glockenformen stehen, mit Erde verfüllt und ordentlich verdichtet, damit die Formen den beim Gießen entstehenden Druck aushalten können. Über Rinnen wird die erhitzte Glockenspeise (zirka 1100°C) durch das Gussloch in die Form geleitet, durch ein oder zwei andere Löcher entweichen Luft und die beim Gießen entstehenden Gase. Nach mehrwöchiger Abkühlzeit kann die Glocke aus der Form geholt werden, wobei erst dann sichtbar wird, ob der Guss gelungen ist. Als Termin für den Guss wird traditionell Freitagnachmittag 15 Uhr, die Sterbestunde Jesu Christi, gewählt. Nachdem alle acht Glocken gegossen waren, sang man gemeinsam „Großer Gott, wir loben dich“. Nun sind alle gespannt, ob der Guss gelungen ist und der Gleichklang hergestellt wird. gdt
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